Ein digitales Sommersemester

Text von Jan Ehlers

Die Digitalisierung wird die Welt nicht nur verändern. Sie hat es schon getan. Und damit die Welt, in der wir lernen. Die Corona-Pandemie hat uns diese Entwicklung noch einmal deutlicher werden lassen. Umso spannender zu lernen, was da mit uns geschehen ist – und was vielleicht als nächstes geschieht…

Als ich 2014 aus einem E-Learning Kompetenzzentrum an die Universität Witten/Herdecke wechselte, war mir klar, dass an meinem neuen Wirkungsort digitales Lernen so nicht benötigt wird. Und so war es dann auch. Natürlich gab es in jedem Studiengang die eine oder andere digitale Lernform, aber die Didaktik basiert vor allem auf praxisnahen Seminaren in Kleingruppen, die sich in Präsenz miteinander auseinandersetzen und im Diskurs gemeinsam lernen. Das funktioniert unheimlich gut und macht auch die Einzigartigkeit dieser Universität aus. Die Nähe und Präsenz, das Bewusstsein um die anderen und die Möglichkeit miteinander wirklich um Wissen und Einsicht zu ringen.

DANN KAM DER MÄRZ 2020…

Mitten in den Semesterferien wurde die Universität geschlossen und schickte fast alle Mitarbeitenden in das Homeoffice. Schlagartig wurde klar, das nächste Semester wird ein digitales Semester werden und dafür müssten wir vieles ändern. In all der Ungewissheit und vielleicht auch der Furcht um das, was dieses unbekannte Virus mit uns macht, geschah an unserer Universität etwas ganz Besonderes. In dreieinhalb Wochen fanden sich fast alle Dozierenden und viele Studierende in weit über 100 Online-Workshops zusammen, um sich in den Bereichen der digitalen Lehre weiterzubilden. Da ging es um Lernmanagementsysteme, virtuelle Klassenräume, fallbasiertes Lernen, Feedback und vieles mehr. Weit über 600 Teilnahmen konnten wir verzeichnen und damit guten Mutes in ein digitales Wintersemester starten, das für uns alle eine vollkommen neue Herausforderung sein würde.

Mit der gleichen Nähe und dem gleichen Zusammenhalt haben wir dieses Semester überwiegend gut gemeinsam meistern können. Selbst die Befürchtungen, wie das „Onboarding“ der neuen Erstsemester ohne Wanderwoche und Vollversammlungen geschehen könnte, wurden durch Videos, Online-Veranstaltungen und Messenger-Chats zerstreut. Fast alle Unterrichtsformen konnten digital umgesetzt werden: Seminare, POL-Gruppen, Übungen, Sprechstunden. Nur bei den Untersuchungskursen kamen wir etwas an die Grenzen.

LESSONS LEARNT

Die Evaluationen, die in den einzelnen Fakultäten während des Semesters durchgeführt wurden, zeigen, dass die technische Umsetzung gut geklappt hat. Sie zeigen aber auch, dass ein digitales Studium keine Dauerlösung ist: Weder die Uni noch die Dozierenden noch die Studierenden sind darauf erpicht, an einer reinen Online-Universität zu lehren oder zu lernen. Trotzdem hat fast alles gut geklappt, alle haben sich gegenseitig unterstützt und waren froh, dass das Semester nicht ausfallen musste. Ein Blick zu den anderen Universitäten in Deutschland zeigt, dass wir uns mit der digitalen Umsetzung nicht verstecken müssen. Vieles von dem, was wir in diesem Sommersemester gelernt haben, werden wir bestimmt auch in den Präsenzunterricht mitnehmen. Gerade die Informationsvermittlung kann oft gut digital erfolgen (oft fand sie ja schon vorher individuell digital via PDF oder YouTube-Videos statt), der tatsächliche diskursive Wissenserwerb findet dadurch in Präsenz genügend Raum. Denn Universität ist nicht nur Informationsvermittlung, sondern Lebens- und Begegnungsraum in dem sich die Persönlichkeit entwickelt, Wissen entsteht und Fertigkeiten erworben werden.

 

VON WEM KÖNNEN WIR ETWAS ÜBER DIGITALES LERNEN LERNEN?
Warum nicht von unseren ehemaligen Studierenden? Manuel Dolderer, Alumnus unserer Universität, ist mitten in diesem Zukunftsfeld aktiv. Als Mitgründer und Präsident der CODE University, an der die digitalen Pioniere von morgen ausgebil-det werden. Mit ihm haben wir darüber gesprochen, welche Fähigkeiten wir für eine digitalisierte Zukunft brauchen – und wie sich Bildungsinstitutionen aufstellen sollten, damit solche Fähigkeiten über-haupt entstehen können.

siehe hier: http://www.wittenlab.de/das-geht-nicht-mehr-weg/