Text von Aude Bertrand-Höttcke

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IM REICH
DER ZEICHEN.

Wie haltet Ihr Eure Gedanken fest? In Textform, in einem Notizheft oder einem Blog? Manchmal flankiert durch einfache Schemata, Skizzen oder Bild­collagen? Aber wie sieht es aus, wenn Ihr Eure Gedanken anderen verständlich machen wollt — und das nicht immer schafft?

„SIEHST DU, WAS ICH MEINE?”

Wer darauf achtet, bemerkt schnell, wie viele Zeichen wir im Alltag und Austausch miteinander permanent produzieren. Ganz nebenher, als Bei-Produkte, Nebenerzeugnisse, Klärungs- oder Merkhilfen, als grobe Skizzen auf dem Flipchart oder Ge­kritzel auf einem Stück Papier. Es sind unsere Gedanken­stützen oder Kommunikationsvehikel zum gesprochenen Wort, bevor das Denkergebnis ordentlich ausgearbeitet und ver­schriftlicht werden kann. Keine große Kunst also?
Im Gegenteil. Denn es brauchte eine Künstlerin, um die „Visuelle Rethorik“ zu erfinden: Telse Schnelle-Cölln. Zusammen mit ihrem Mann, dem Unternehmer Eberhard Schnelle, entwickelte sie eine sehr reduzierte, aber wirksame Kompositionstechnik. Sie dient heute noch immer als zentrales Werkzeug bei der Be­ratergesellschaft Metaplan. Damals, in den 1970er Jahren, war das ein Durchbruch. Heute kennt so ziemlich jeder von uns diese oder ähnliche Visualisierungs- oder Moderationsmethoden im Studium oder der Arbeitswelt.

Metaplan Advertorial mit UW/H-Alumna Wiebke Gronemeyer in diesem Heft, S. 56

KOMMT JETZT DIE ZEICHENFLUT?

Die explosionsartige Nutzung neuer Kom­munikationsvehikel, von Emojis über Memojis zu den Visualisierungsformen von Design Thinking-Methoden, beim Graphic Recording oder auch sophistizier­ten computergestützten Visualisie­rungstechniken lässt erahnen, welche Rolle Zeichensysteme neben der Sprache ein­genommen haben.
Das Bild als dargestellte Idee (eidos) zu betrachten – statt als Trugbild (eidolon) – wird aber noch ein Umdenken erfordern. Womöglich hat die japanische Kultur es bei der Wertschätzung von Zeichen als Ideenvermittler leichter, da Schreiben und Zeichen ein und dasselbe Ideogramm sind.

STUDIE: A Systematic Review of Emoji: Current Research and Future Perspectives, Qiyu Bai,
Qi Dan, Zhe Mu, Maokun Yang, Front Psychol. 2019; 10: 2221.
www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2019.02221/full

WAS KANN MAN DARAUS ÜBER DAS LERNEN LERNEN?

Dass Zeichen bei dem Festhalten und der Vermittlung von Ideen großes Potential haben und in naher Zukunft eine mindestens genauso wichtige Rolle spielen können wie zuvor die Schriften.

nächster Teil:
2 DURCH RAUM UND ZEIT.