VIER DIMENSIONEN DER VERBUNDENHEIT

WAS VERBUNDENHEIT VON VERBINDUNGEN UNTERSCHEIDET, WIE EXISTENZIELL SIE FÜR UNSER LEBEN IST, UND WIE MAN SIE FÖRDERN KANN …

Unzählige Online-Meetings, hunderte Freunde bei Facebook, der Spaziergang mit den Eltern, ehrenamtliches Engagement, ein Gespräch in der Pause einer Fachkonferenz: Dies sind einige der Situationen, bei denen wir mit anderen in Verbindung stehen.
Die Möglichkeiten in Verbindung zu treten, sind nahezu unendlich – auch wenn in Corona-Zeiten eher die digitalen Möglichkeiten in den Vordergrund geraten. ‚In Verbindung stehen‘ bedeutet, objektiv die (technische) Möglichkeit zu haben, mit anderen in Kontakt zu treten, gemeinsam etwas zu unternehmen oder zu entwickeln.
In unterschiedlichem Maße nehmen wir dies alle wahr, denn wir brauchen Kontakte. Und dennoch hat fast jeder von uns es schon mal erlebt, sich in Gesellschaft einsam zu fühlen, irgendwie falsch, überflüssig oder nicht am richtigen Ort. In Verbindung zu stehen, bedeutet also nicht gleich, dass wir uns auch verbunden fühlen. Was aber unterscheidet Verbindung von Verbundenheit?
Verbundenheit beschreibt das subjektive Gefühl, zugehörig zu sein, ein Gefühl von Aufgehoben sein, das Gefühl umarmt zu sein. Verbundenheit ist ein lebenswichtiges Bedürfnis. Es ist das, wonach wir uns alle instinktiv sehnen.
Verbundenheit bezieht sich jedoch nicht nur auf die emotionale Erfahrung, die wir in Bezug auf andere machen. Sondern wir können mit dieser Verbundenheit zu einem Gegenüber oder einer Gruppe zugleich Verbundenheit zu uns selbst spüren und das Gefühl haben, zu etwas „Größerem“ – sei es Gott, das Universum oder die Natur zu gehören.

1. SELBSTVERBUNDENHEIT

Mit sich selbst verbunden zu sein bedeutet, sich selbst wahrzunehmen – die eigenen Empfindungen, Gedanken und Emotionen, die eigenen Instinkte und Verhaltensweisen. Die Idee der Selbstwahrnehmung ist nicht an das Ziel, sich selbst zu perfektionieren, gekoppelt, sondern daran, Einsicht und Selbstakzeptanz zu gewinnen.
Kurz: Sich so anzunehmen, wie man ist.

2. ERBUNDENHEIT MIT DEM GEGENÜBER

Das Gefühl der Verbundenheit innerhalb einer Partnerschaft, in einer guten Freundschaft oder auch gegenüber Fremden ist die Antipode zur Einsamkeit.¹ Zu einem anderen Menschen fühlen wir uns verbunden, wenn wir das Vertrauen haben, so akzeptiert zu sein, wie wir sind, und wenn wir auch in schlechten Zeiten sie um Hilfe bitten können.

3. GRUPPENVERBUNDENHEIT

Die Verbundenheit mit einer Gruppe von Menschen oder einer kollektiven Verbundenheit untereinander², bedeutet, dass man sich inmitten von bekannten oder unbekannten Menschen aufgehoben fühlt. Diese Art der Verbundenheit empfinden wir, wenn die Menschen dieser Gruppe die eigenen Interessen oder Einstellungen teilen und den gleichen Sinn in Etwas sehen. Sich mit einer Gruppe verbunden zu fühlen, bedeutet, integriert zu sein, sich als Teil zu empfinden und sich gesehen zu fühlen.³

4. SPIRITUELLE VERBUNDENHEIT

Spirituelle Verbundenheit ist das Gefühl, mit etwas „Größerem“, etwas „Höherem“ verbunden zu sein. Hier können wir uns Eins mit dem Universum oder mit der Natur fühlen oder eine Verbundenheit zu einem oder mehreren Göttern empfinden. Das Gefühl der spirituellen Verbundenheit kann auch entstehen, wenn wir unseren Lebenssinn erkannt haben, oder akzeptiert haben, dass wir bestimmte, essenzielle Dinge nicht wissen oder erfassen können.

Die vier Dimensionen zeigen auf, dass wir uns mit anderen Menschen, uns selbst oder etwas „Größerem“ verbunden fühlen können, ohne konkret, also gegenwärtig, in Verbindung zu stehen. Umgekehrt können wir in Verbindung mit anderen sein und uns zugleich einsam fühlen, weil das Gefühl der Verbundenheit nicht da ist. Und wir können die vier Dimensionen der Verbundenheit bewusst aktvieren und stärken. Sie liefern eine wertvolle Ressource für Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe. Und wie einfach das gehen kann, zeigt sich auf der nächsten Seite.

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uni-wh.de/igvf

mmyogameditation.de

The lethality of loneliness: John Cacioppo at TEDxDesMoines:
youtube.com/watch?v=_0hxl03JoA0

Louise C. Hawkley, Michael W. Browne, John T. Cacioppo: „How Can I Connect With Thee?: Let Me Count the Ways“.
In: Psychological Science 16(10) (2005), S. 798-804
journals.sagepub.com/doi/abs/10.1111/j.1467-9280.2005.01617.x

„Gemeinsam meditieren gegen die Einsamkeit –Eine neue Form der Meditation verbindet Menschen“.
Max-Planck-Gesellschaft 2017
mpg.de/10895526/kontemplative-dyade

MAREN M. MICHAELSEN

Dr. Maren M. Michaelsen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF) an der Fakultät für Gesundheit der UW/H. Als Wissenschaftlerin und erfahrene Yoga- und Meditationslehrerin widmet sie sich der Erforschung der Wirkungen und Wirkmechanismen von Meditation und Achtsamkeit, entwickelt Verfahren zur Unterstützung der Lebensstilveränderung und sucht Möglichkeiten, diese Erkenntnisse im Gesundheitssystem zu integrieren.

Maren Michaelsen war eine der ersten Wissenschaftler*innen, die auf unseren Open Call for Ideas in die Universitätsgemeinschaft zu diesem Themenheft reagiert und damit eine Brücke in die Ideen-, Forschungs- und Gesundheitswelt der ganzheitlich-integrativen und sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung geschaffen hat. Alle Angebote der Fakultät für Gesundheit finden sich hier:
uni-wh.de/gesundheit