Text von Aude Bertrand-Höttcke

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KUNST MACHT SCHULE.

27. April 1973. Im Atelier von Joseph Beuys wird die Free International University (F.I.U.) gegründet. Wie kam ein vielbeachteter Kunstprofessor dazu, eine Bildungsinstitution zu gründen?

Nicht mal ein Jahr davor hatte der Künstler mit Student*innen das Sekretariat der Kunstakademie Düsseldorf besetzt – er forderte den freien Zugang zu seiner Lehre, ungeachtet von Auswahlprozessen. Die Freiheit, die es für die von ihm verteidigte und verkörperte Kunst braucht, vom erweiterten Kunstbegriff zur Sozialen Plastik, muss anderweitig erschlossen werden. Es entsteht ein künstlerisches Vorhaben, was sich vom Werkbegriff loslöst, verschiedenartige kreative Potentiale aufgreift und sich in kollektive, diskursive wie partizipative Prozesse entfaltet. Die F.I.U. wird Manifest, Programm, wandernde Austauschplattform mit einigen festen Ankerpunkten – aber nie wird sie es zu einer richtigen Institution schaffen. 1988 löst sich der Trägerverein auf.
Dreißig Jahre später erleben künstlerische Bildungsexperimente eine Neuentwicklung – sodass regelrecht von einem educational turn in der Gegenwartskunst die Rede sein kann. Die Floating University vom Kollektiv Raumlabor Berlin aus dem Jahr 2018 ist eins von vielen aktuellen Beispielen.
Früher kaum vorstellbare Lernmethoden erscheinen wie eine Selbstverständlichkeit – Lehrende und Lernende tauschen die Rollen aus, Ideen und Experimente entstehen aus gemeinsam gestalteten Workshops, Vertreter*innen verschiedenster Disziplinen kommen ins Gespräch und erfinden unter anderem die Stadt der Zukunft, die Floating University oder die Urban School Ruhr.

Felicity Allen, Ed. (2011): “Education”
mitpress.mit.edu/books/education

Jan Liesegang, Markus Bader:“BUILDING THE CITY TOGETHER – BOOK”, raumlabor, Darmstadt 2015

Benjamin Foerster-Baldenius, Florian Stirnemann: “Floating University Berlin 2018 – an illustrated report”,raumlabor, Berlin 2019

WAS KANN MAN DARAUS ÜBER DAS LERNEN LERNEN?

Dass Ingredienzen für transformatives Lernen längst in der Kunst praktiziert werden. Diese lassen sich bis zu einem gewissen Grad institutionalisieren – etwa durch verbreitete Verhaltensweisen, die noch vor 30 Jahren schwer vorstellbar waren. Dazu zählt Offen­heit – gegenüber anderer Disziplinen aber auch Exper­tisen. Denn auch Nicht-Künstler*innen verfügen über ein kreatives Vermögen. Genauso verfügen die Nicht-Akademiker*innen über eine Expertise, die es im Austausch auszuloten gilt. Das Brechen von Denk- und Handlungsroutinen erfordert zudem ein ande­res Setting, z. B. in Form temporärer oder neugestalteter Zwischen-Räume.