LARISSA MENDEL

„DER DRUCK ZUR GUTEN KUNST IM KONTRAST ZUM AUSDRUCK MEINES SELBST”

Wann bin ich eine Künstlerin? Ist Künstlerin-Sein ein eigenes Gefühl, was sich mit zunehmender Praxis in mir etabliert, oder verlangt Künstlerin zu sein eine Legitimation von außen?
Ist gute Kunst etwas, das ich selbst für mich festlege, oder definiert sie sich nur im Vergleich zur Kunst anderer? Wie sehr steht meine Kunst unter dem Druck gut zu werden? Ist die innere Angst, gute Kunst machen zu müssen, der Umgebung geschuldet oder resultiert sie aus dem Zweifel, wie viel von meinem Selbst in die eigene Kunst einfließen darf?

Diese Fragen habe ich mir bereits vor dem Kurs oft gestellt. Im Kurs habe ich die Möglichkeit gesehen, durch die Aufnahme eines Videos reflektieren zu können, wie ich mich unter der Beobachtung der Kamera zu diesen Fragen verhalte.
Mein Selbst nackt und schutzlos vor die Kamera zu stellen und mich selbst als ‚Leinwand‘ zu wählen, brachte mich in die Situation, mich dem Gefühl der Farbe, dem innerlichen Druck des Schaffens und dem Ausdruck der inneren Emotionen auf eine neue Weise zu stellen.
In einem geschützten Raum sitzend, nur mit der Kamera als Gegenüber, habe ich Stück für Stück meinen eigenen Körper mit bunter Farbe bemalt.
Für mich war es sehr spannend zu erkennen, dass mit Zunahme der Farben die einzelnen Farbtöne immer mehr verschwammen und ich irgendwann das Gefühl bekommen habe, mit weißer und schwarzer Farbe die bunten Stellen wieder verschwinden zu lassen, die Farben zu einer zu vermischen und das entstandene Bild somit wieder zu zerstören.
Im Nachhinein habe ich dadurch verstanden, dass auch die Frage, wann Kunst ‚fertig ist‘, eine entscheidende Rolle im Prozess und im Bezug zu meinen Ausgangsfragen einnimmt. Hat ein Bild über­haupt den eigenen Punkt, an dem es ‚fertig ist‘ ist, oder liegt es allein in der Entscheidungsgewalt der Künstlerin einen Punkt fest­zulegen, an dem ihr Bild fertig ist? Vielleicht ist das für mich die Kunst, hinter guter Kunst, so verschieden sie auch sein mag:
im richtigen Moment zu erkennen, wann das Werk vollendet ist.

 

Ist gute Kunst etwas, das ich selbst für mich festlege, oder definiert sie sich nur im Vergleich zur Kunst anderer?

Die Fotos zu dem Artikel findet ihr auf Seite 47 in folgender PDF-Datei (Seite 89 im Heft):
https://www.wittenlab.de/wp-content/uploads/2020/12/201123_UniWitten_GESAMT_Ansicht_Doppelseiten.pdf